Wirft man einen ersten Blick auf OKR, könnte man schnell den Eindruck gewinnen, dass es sich hierbei lediglich um "Alten Wein in neuen Schläuchen" handeln könnte. Dabei gibt es einen fundamentalen Unterschied zu jedem anderen verwendeten Zielsystem - nämlich, dass dieses "loosely-coupled" konzipiert ist.
Zielsysteme gibt es viele - angefangen bei Management by Objectives (MbO) über Key Performance Indicator (KPI), Balanced Scorecard (BSC), OGSM (Objectives, Goals, Strategies & Measures) bis hin zu Hoshin Kanri. Alle haben eines gemeinsam - Ziele werden auf unterschiedliche Art und Weise von oben nach unten kaskadiert. Daher spricht man hier auch von "strict-cascading" Systemen.
Auf oberer Ebene wird also ein Ziel festgelegt und mechanistisch wird dieses nun in die Organisation kaskadiert - oftmals begleitetet von operativ aufwändigen Abstimmungsprozessen. So werden beispielsweise Kennzahlen in (mindestens) jährlich stattfindenden Strategieprozessen von der oberen Führungsebene festgelegt und dann auf die verschiedenen Organisationseinheiten entlang der Aufbauorganisation verteilt. Beispielsweise wird geplant, 10% mehr Umsatz im nächsten Jahr zu machen, und man überlegt sich nun, welcher Geschäftsbereich davon wieviel Prozent machen muss und ggf. auch noch, mit welcher Strategie bzw. Taktik dies geschehen soll. Irgendwann findet dann die Operationalisierung statt, indem beispielsweise die dafür notwendigen Produkte, Leistungen oder Projekte bereits auf oberer Ebene in die Strategieplanung integriert werden.
Dies - allerdings - scheitert regelmäßig, indem entweder die Zahlen nicht (oder nur mit sehr großem Aufwand) erreicht werden, es ständig nachgesteuert werden muss, die Motivation der Mitarbeiter an vielen Stellen gegen Null geht oder aber der Kommuniktionsaufwand ins Unermessliche steigt.
Für die Beantwortung dieser Frage haben wir in den letzten 10 Jahren (als erste OKR-Beratung im europäischen Raum) tausende von OKR-Implementierungen weltweit beobachten und untersuchen dürfen und haben letztlich dieses Wissen und die Erfahrung in nahezu 700 eigene OKR-Einführungen bzw. OKR-Audits einfließen lassen.
Nicht selten sind wir auch auf Kunden gestossen, die OKR entweder selbst oder mit Hilfe anderer Beratungen eingeführt haben und nach der ersten Europhorie-Phase auf eine große Ernüchterung in Bezug auf die Wirksamkeit getroffen sind. Zusammenfassend gab es folgende Rückmeldungen:
Schaut man sich die Eigenschaften von "strict-cascading" Systemen genauer an, ahnt man auch sofort, woran dies liegt:
BILD: Schaubild: strict-cascading
Der Grund hierfür liegt tief im (immer noch) stark tayloristisch geprägten Organisationsdesign verborgen. Der Taylorismus ist auf komplizierte Aufgabenstellungen ausgelegt, bei denen Ursache und Wirkung immer klar abzuleiten waren und deren Problemlösung auf Wissen basierten. Und genau so wurden auch die Instrumente angelegt und gedacht, die der Organisation helfen sollten, möglichst effizient und damit erfolgreich zu sein. Mitarbeiter wurden lediglich dazu benötigt, um einmal (von Managern) vorgedachte Arbeitsschritte repetitiv zu wiederholen. Der Mitarbeiter wurde (lediglich) als Human Resource betrachtet und auch so behandelt.
Heutige Anforderungen in Organsationen sind aber mehrheitlich nicht mehr kompliziert, sondern komplex. Alle komplizierten Anteile werden zwischenzeitlich entweder bereits jetzt von Computern erledigt oder stehen kurz davor (Stichwort: Digitale Transformation). Mitarbeiter in Unternehmen erledigen heute überwiegend komplexe Aufgaben. Knackpunkt aber ist, dass für die Beherrschung der komplexen Welt der Mensch nun aber in der Eigenschaft benötigt wird, die ihn originär auszeichnet: Ideen zu haben und sein Können einzubringen. Dies basiert auf Denken, Kreativität, Intuition, Innovationskraft und Motivation. Aber dazu passt das Organsiationsdesign heutiger Unternehmen nicht mehr. Denn Kultur folgt immer der Struktur!
Besonders erfolgreiche OKR-Systeme (in Bezug auf langfristige Wirksamkeit sowie Effektivität und damit Erfolg) folgen einem nicht-tayloristischem Muster, welches wir vor über 6 Jahren mit Bezug auf die Systemtheorie "loosely-coupled" (lose gekoppelt) getauft haben.
Die Vorteile liegen auf der Hand:
BILD: Schaubild: loosley-coupled
Der maßgebliche Hebel hierfür ist die intrinsichen Motivation der Mitarbeiter.
Die intrinsische Motivation wird durch drei Faktoren begünstigt: Autonomy, Mastery und Purpose:
Einen wirklich sehenswerten TED-Talk zum Thema "Intrinsische Motivation" mit dem Titel "The Puzzle of Motivation" von Daniel Pink findet Ihr hier: https://www.ted.com/talks/dan_pink_the_puzzle_of_motivation?language=de
In einem wirksamen OKR-System muss maximale Autonomie von jedem Teilnehmer gelebt werden können. Das beginnt damit, selbstständig entscheiden zu dürfen, ob man überhaupt am OKR teilnehmen will (als Einzelner oder als Team) - entweder generell oder aber vielleicht auch nur für den nächsten Zyklus (wenn ein Team beispielsweise ein wichtiges, zeitintensives Projekt fertigstellen muss). Vor allem aber werden alle Ziele autonom erstellt - d.h. jedes Team besitzt die maximale Autonomie die Ziele als OKR zu formulieren, die es will. Es darf keinerlei Vorgaben dafür geben - insbesondere keine Objectives und/oder Key Results, die von außen in ein Team gegeben werden und/oder die eine Führungskraft für das Team "mitbringt".
Hier wäre offensichtlich, dass alleine mit Autonomie sich schnell ein zielloses Durcheinander entwickeln würde. Daher braucht es auf der anderen Seite auch maximales Alignment (Ausrichtung) - zusammen als "Aligned Autonomy" bezeichnet. Das Alignment wiederum gelingt durch ein mehrstufiges System:
Im Sinne der Autonomie kann ein Team dann auch nur selbst die eigenen Ziele anpassen.
Damit Mastery optimal gelingen kann, sind im OKR drei Faktoren wichtig:
Am Ende ist OKR das Narrative von Vision & Purpose bis hin zum Daily Doing des Einzelnen. Dafür enthält OKR einige wichtige Elemente:
In komplexen Umgebungen benötigt es eine lose Kopplung, damit die Organisation bestmöglich auf Dynamik mit der erfolderlichen Geschwindigkeit reagieren und somit auch den zukünftigen Erfolg sicherstellen kann. OKR (loosely coupled gelebt) ist exakt dafür prädestiniert. In komplizierten Umgebungen (z.B. Produktion, Buchhaltung, Controlling, ...) hat OKR ohnehin nichts verloren - hierfür gibt es bereits die eingangs erwähnten Tools und Methoden.
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- Aleksandra Walter, die.agilen GmbH