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Was ist der Unterschied von OKR zu herkömmlichen Strategiemethoden?

Veröffentlicht am
25.7.2025

Einleitung: Zwei Welten der Strategiearbeit

Strategieentwicklung ist in vielen Unternehmen traditionell ein elitäres Ereignis: Zwischen einmal im Jahr und alle 5 Jahre ziehen sich Führungskräfte in ein „Strategieoffsite“ zurück, erarbeiten auf zig PowerPoint-Folien die Zukunft der Organisation und geben diese dann per E-Mail oder Townhall an die Teams weiter. Danach kehrt der Alltag zurück – und mit ihm die Kluft zwischen Strategie und operativem Geschäft. Die Strategie wird nicht mehr in Frage gestellt, lediglich die Strategieumsetzung scheitert regelmäßig und damit auch die Suche nach den Schuldigen. Aber längst ist die Struktur selbst das Problem und nicht die beteiligten Menschen.

OKR (Objectives and Key Results) verspricht einen radikal anderen Ansatz. Statt Strategie als statisches Top-down-Instrument zu denken, macht OKR sie zu einem dynamischen, iterativen und partizipativen Prozess – nah am Menschen, nah am Kunden, nah am Markt.

Doch worin genau liegt der Unterschied zwischen OKR und klassischen Strategiemethoden? Und was bedeutet das konkret für Organisationen?

OKR ist ein agiler Strategieprozess, der Strategieentwicklung, Strategieumsetzung und Strategievalierung föderativ, iterativ und inkrementell im Unternehmen verankert, sodaß dieses auch bei hoher Dynamik und Komplexität in der Lage ist, nicht nur adäquat auf Änderungen zu reagieren, sondern höchst erfolgreich und profitabel durch die Zukunft zu navigieren.

1. Struktur & Logik: Kausalität vs. Kontingenz

Klassische Strategie: Der Plan regiert

Herkömmliche Strategiemodelle – etwa SWOT, Balanced Scorecard oder das 5-Kräfte-Modell von Porter – basieren auf der Annahme, dass Zukunft planbar ist. Es wird analysiert, prognostiziert und geplant. Dabei herrscht ein kausales Denken vor: Wenn wir A tun, passiert B. Das führt oft zu langen Strategieplänen, die am Ende niemand liest – außer dem Strategie-Team selbst. Aber noch viel schwerwiegender ist, dass der Plan bereits beim Start der Umsetzung in Teilen obsolet geworden ist und sich dies im Laufe der Zeit natürlich noch verschlimmert. Damit wächst auch der Steuerungsaufwand, der entsteht, um das Delta zwischen Wirklichkeit und Plan permanent wieder einzufangen.

OKR: Arbeit in der Unsicherheit

OKR dagegen basiert auf einem kontingenten Weltbild: Zukunft ist nicht vorhersehbar, sondern entsteht durch Handeln. Strategie wird hier als iterativer Prozess verstanden, bei dem Teams durch Ziele (Objectives) und messbare Ergebnisse (Key Results) Orientierung bekommen – ohne den Anspruch, alle Antworten im Voraus zu kennen .

Vorteil von OKR: Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in dynamischen Umwelten.

Nachteil klassisch: Statische Pläne versagen schnell, wenn sich Rahmenbedingungen ändern.

2. Verantwortung & Beteiligung: Elitenmodell vs. kollektives Commitment

Klassische Strategie: Chefsache bleibt Chefsache

Strategie wird oft im oberen Management entwickelt und bleibt dort. Mitarbeitende werden informiert, aber nicht beteiligt. Die Folge: Geringes emotionales Commitment, strategische Ignoranz im Alltag, hohe Umsetzungsbarrieren. Zudem geht dieses Vorgehen davon aus, dass die gesamte Intelligenz der Organisation ausschließlich bei den oberen Führungskräften versammelt wäre. Das Gegenteil ist aber der Fall - geht man von ca. 2% oberen Führungskräften aus, so schließt man damit 98% der Intelligenz der Organisation von der Zukunftsgestaltung aus. Die Organisation verdummt damit mittel- und langfristig. Die Folge: Immer weniger Überlebenschance.

OKR: Partizipation als Prinzip

Im OKR-Modell von die.agilen ist Beteiligung kein „Nice-to-have“, sondern Kernprinzip. Führung definiert Leitplanken über Vision, Purpose und ökonomische Richtung (HED & MED), die Teams entwickeln daraus eigenständig ihre Moals (Midterm Goals) und OKR .

Vorteil OKR: Hoher Identifikationsgrad und echtes strategisches Alignment.

Nachteil klassisch: Gefahr des „strategischen Elfenbeinturms“.

3. Zeitliche Dimension: Jahressicht vs. Zyklenlogik

Klassische Strategie: Ein Jahresrhythmus

Strategie wird oft (im besten Fall) jährlich erarbeitet, die operative Umsetzung erfolgt im Anschluss. Reviewprozesse finden selten oder nur am Ende statt. Feedbackloops sind kaum vorhanden.

OKR: Dynamik durch Zyklen

Das OKR-System ist zyklisch organisiert: Strategische Ziele werden regelmäßig überprüft und angepasst. Bei die.agilen existieren sogar drei überlagernde Zyklen – Vision & Purpose (langfristig), Moals (mittelfristig), OKR (kurzfristig, ca. 3 Monate) .

Vorteil OKR: Strategisches Lernen durch Feedbackschleifen.

Nachteil klassisch: Schwerfälligkeit und geringe Reaktionsfähigkeit.

4. Menschenbild & Motivation: Kontrolle vs. Autonomie

Klassisch: Typ X

Viele klassische Ansätze bauen implizit auf dem Menschenbild des „Typ X“ auf (nach McGregor): Mitarbeitende arbeiten nur unter Kontrolle und mit extrinsischer Motivation (z. B. Bonuszahlungen) .

OKR: Typ Y

OKR beruht auf dem Vertrauen in Autonomie, Verantwortung und intrinsische Motivation (Typ Y). Das System ist explizit nicht an Boni gekoppelt, um Fehlanreize wie „Sandbagging“ oder Fokusverlust zu vermeiden .

Vorteil OKR: Förderung psychologischer Sicherheit, Eigenverantwortung, Wirksamkeit.

Nachteil klassisch: Misstrauenskultur, Mikromanagement, Motivationseinbruch.

5. Fokus & Wirksamkeit: Output vs. Outcome

Klassisch: Aktivitätenorientierung

Herkömmliche Strategien messen sich oft an KPIs, die Input oder Output darstellen (z. B. Anzahl Projekte, Umsatzsteigerung). Das Warum bleibt häufig unbeantwortet. Aktivitäten dominieren.

OKR: Outcome-orientiert

OKR fragt: Welche Wirkung wollen wir erzielen? Die Key Results zielen auf Outcome (z. B. Nutzerverhalten, Kundenzufriedenheit, Lernfortschritt) statt bloßem Output .

Vorteil OKR: Klarer Fokus auf Wertschöpfung statt Beschäftigung.

Nachteil klassisch: Gefahr von „Beschäftigungsillusion“.

6. Vernetzung: loosely-coupled vs. strict-cascading

Klassisch: Kaskadierung (strict-cascading)

Klassische Strategiearbeit hat als Weltansicht immer noch das Maschinenmodell als Grundlage. Dies besagt unter anderem, dass die Summe der Teile das Ganze ausmacht (eben wie eine Maschine). Damit lassen sich aber längst keine komplexen und dynamischen Zukunften bearbeiten. Eine weitere Implikation dieses Weltbildes ist, dass es kausale Zusammenhänge gibt und sich diese auch auf die verschiedenen Ebene kaskadieren lassen. Dies funktioniert nicht nur nicht, sondern sorgt auch für eine immer größere werdende Trägheit der Organisation.

OKR: Vernetzt (loosely-coupled)

Im OKR sind alle Elemente stets lose gekoppelt. Damit ist man in der Lage dynamic-robust zu agieren. Selbst wenn in einem Bereich sich die gesetzten Ziele als nicht zielführend herausbilden sollten, werden andere Bereiche davon kaum bis gar nicht irritiert. Gleichzeitig entsteht ein Höchstmaß an Ausrichtung (Alignment) ohne die Bürokratie dafür zu erhöhen.

Vorteil OKR: Hohe Vernetzung zur Steigerung der Wertschöpfung in dynamischen und komplexen Umgebungen.

Nachteil klassisch: Gefahr von „Beschäftigungsillusion“.

Übersicht Klassische (Blauer) vs. Agile (Rote) Strategiearbeit

Fazit: OKR als systemische Strategiearbeit für das 21. Jahrhundert

Der OKR-Ansatz – wie ihn insbesondere die.agilen vertreten – ist weit mehr als ein Zielsystem. Es ist eine neue Art, Strategie systemisch zu verstehen und gemeinsam umzusetzen. Statt auf Psychologisierung einzelner („die müssen nur motivierter sein“) setzt OKR auf strukturelle Prinzipien: Klarheit, Orientierung, Partizipation, Feedback und Lernfähigkeit.

OKR ist damit kein Ersatz für gute Führung oder klare Entscheidungen – aber ein wirkungsvolles Instrument, um Strategie aus der Vorstandsetage in den lebendigen Organismus Organisation zu bringen.

Wer heute noch mit starren Jahresplänen, Einzel-KPIs und PowerPoint-Bergen operiert, riskiert strategischen Stillstand in einer Welt, die permanent in Bewegung ist.

“In the digital age, sitting down once a year to do anything is weird, is just bizarre.” (Jeff Immelt)
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