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OKR und die Gesetze von Graig Larman

Veröffentlicht am
6.9.2024

Manchmal scheint eine Organisation sich regelrecht zu wehren, wenn es zu einer (eigentlich sinnvollen und vermeintlich gewollten) Veränderung wie OKR kommen soll. Aber woran liegt das eigentlich? Vielleicht an den Gesetzen von Craig Larman...

Craig Larman (1958) ist ein in Kanada geborener Informatiker, Autor und Berater für Organisationsentwicklung. Mit Bas Vodde zusammen ist er vor allem für die Formulierung von LeSS (Large-Scale Scrum) und für mehrere Bücher zur Produkt- und Softwareentwicklung bekannt.

Er hat sich in den letzten 25 Jahren viel mit Organisationen und deren Verhalten auseinandergesetzt und seine Beobachtungen schließlich in 5 Gesetzen (Larman's Laws of Organizational Behavior) zusammengefasst:

  1. Jede Organisation ist unbewusst so optimiert, dass Veränderungen vermieden werden, die den Status Quo und das Machtgefüge der mittleren Führungsebene, der operativ verantwortlichen Manager und den der Spezialisten betreffen.
  2. Als Folge von (1) wird jede Veränderungsinitiative im Wesentlichen darauf reduziert, die neuen Begriffe so um zu definieren oder zu überladen, dass sie eigentlich den Status Quo widerspiegeln.
  3. Als Folge von (1) wird jede Veränderung als „zu akademisch“ oder „zu ideologisch“ abgestempelt und es wird eine pragmatische Anpassung an die lokalen Gegebenheiten eingefordert. Dies ist eine Auswirkung der aktuellen Schwächen und des Status Quos der Manager & Spezialisten.
  4. Als Folge von (1) wird das Veränderungsvorhaben verändert ("Changing the change") und einige Manager und Spezialisten zu „Coaches/Trainern“ für die Veränderung gemacht, was häufig (2) und (3) verstärkt.
  5. Die Kultur folgt der Struktur.

Für die Anhänger der Systemtheorie nach Luhmann erscheinen die Gesetze möglicherweise trivial - aber sie bieten nicht nur diesen einen einfachen und einleuchtenden Zugang:

  • Unternehmen (soziale Systeme) sind vergangenheitskonservativ und zwar umso ausgeprägter, je mehr Struktur darin aufgebaut wurde (Titel, Status, Hierarchie, usw.).
  • Um eine Veränderung anzustoßen, reicht es nicht aus, lediglich zu reden - man muss sie auch aktiv verändern, indem man die Struktur verändert.
  • Man sollte sich nicht auf einzelne Menschen konzentrieren (und diese versuchen zu verändern), sondern auf sinnvolle Irritationen für das Gesamtsystem. Jeder kennt das Phänomen, dass sich im Grunde überhaupt nichts ändert, nachdem der (scheinbar) störende Manager oder Mitarbeiter ausgetauscht wurde.

Der britische Psychologe und Systemiker John Seddon hat einmal gesagt:

"Der Versuch, die Kultur einer Organisation zu ändern, ist eine Torheit, die immer fehlschlägt. Das Verhalten der Menschen (die Kultur) ist ein Produkt des Systems. Wenn Sie das Sytem (die Struktur) verändern, ändert sich das Verhalten der Menschen."

Spielen wir die Gesetze einmal im OKR-Kontext durch:

  • Aus irgendeinem Grund soll im Unternehmen OKR eingeführt werden - sobald es die mittlere und obere Führungsmannschaft betrifft (oder exponierte Spezialisten) - greift sofort Gesetz (1) von Craig Larman.
  • Gerade im OKR-Kickoff (meist mit dem oberen Management veranstaltet) kommt man früher oder später an den Punkt, an dem es so oder so ähnlich heißt: "Eigentlich machen wir ja schon OKR!" oder "Im Grunde ist unser KPI-System ja fast wie OKR!" oder "Wenn wir das Wording unseres MbO-Ansatzes verändern und OKR drauf schreiben, sowie den Zyklus von 1 Jahr auf 3 Monate verändern, dann haben wir ja schon (fast) OKR!"
  • Sobald es etwas unbequem wird (beispielsweise bei der Forderung ein wöchentliches Weekly oder eine systemische Retrospektive am Ende des Zyklus auch im Führungskreis abzuhalten), hören wir hier oft die Aussage, dass OKR viel zu dogmatisch bzw. theoretisch sei und dass die Organisation (natürlich) völlig anders ist als alle anderen Organisationen (oder Branchen). Daher müsse man natürlich OKR auf diese Besonderheiten auch anpassen.
  • Sobald man dann die Anpassung (gegen die Empfehlung) eigenständig durchgeführt hat, macht man Teamleiter oder Bereichsleiter zu OKR-Mastern und verlangt von ihnen, das veränderte OKR-Setting zu begleiten. Schließlich braucht es einen Verantwortlichen mit entsprechender Macht. Dies funktioniert folglich dann natürlich nicht.
  • Und da man dabei so wenig Struktur wie möglich verändert hat,verändert sich auch die Kultur nicht in Richtung Mut, Commitment oder intrinsischer Motivation, die aber für ein wirksames OKR grundlegend notwendig sind.
  • Als letztes Gesetz könnte man noch hinzufügen, dass sich das System durch die selbsterfüllende Prophezeiung letztlich selbst in Frage stellt: "OKR bringt uns überhaupt nichts!" oder "OKR funktioniert bei uns nicht!".

Der Hauptgrund für den Erfolg und die Wirksamkeit von OKR ist zwar sicherlich die Adaptivität an alle Gegebenheiten einer Organisation, egal welcher Größe, Alter oder Branche - das heißt aber nicht, dass alle Änderungen sinnvoll sind. Bestimmte "Funktionen" im OKR haben bestimmte Aufgaben im komplexen, adaptiven (sozialen) System OKR.

Sie sollten daher immer unter dem Aspekt betrachtet werden, ob die Veränderung des OKR-Systems wirklich der Organisation hilft und sie wirksamer ihre Ziele erreicht, oder unterstützt die Veränderung nur die oben stehenden Gesetze und sorgt damit am Ende für ein deutlich unwirksameres OKR.


In unserem Beratungsansatz versuchen wir daher stets, Larmans Laws von Anfang an auszuhebeln. Dies benötigt allerdings eine intensive Auseinandersetzung mit der Organisation selbst und eine in Teilen individuelle und situative Vorgehensweise, anstelle einer allgemein gültigen Blaupause bzw. Vorgehensweise.

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